Vorbericht Sächsische Zeitung

Weit weg von Mama Was gibt ein Musiker für seine Karriere auf? Darum dreht sich das Stück "Kinder der Musik". Am Sonntag wird es in Görlitz uraufgeführt.

von Silvia Stengel


Die anderen Kinder spielen. Henryk Wieniawski übt Geige, unablässig. Mit acht Jahren geht der Pole an das Pariser Konservatorium, mit Zwölf schließt er die Musikhochschule ab. Das Wunderkind wird auf Konzerten in Europa gefeiert. 1880, mit 44 Jahren, stirbt Wieniawski verarmt in Moskau. Um den Geiger und Komponisten dreht sich nun das Stück „Kinder der Musik“, das am Sonntag in Görlitz uraufgeführt wird. Die Hauptrolle spielt Wasilij Tarabuko, Konzertmeister der Neuen Lausitzer Philharmonie.

Wieniawski hatte nie eine unbeschwerte Kindheit. Tarabuko findet Parallelen zu seiner eigenen Biografie. Der Weißrusse war als Schüler im Minsker Internat für Hochbegabte – „weit weg von Mama“, wie er sagt. Solche Parallelen nutzte Autor und Regisseur René Harder für das Stück. So ließ er Auszüge aus Briefen zwischen Tarabuko und seiner Mutter einfließen.

Talent am Theater entdeckt

Beide haben sich vorher bei den Proben für Harders Stück „Perdu“ am Görlitzer Theater kennen gelernt. Der Regisseur war nicht nur von Tarabukos Violinspiel angetan. Harder sah auch ein schauspielerisches Talent. Inzwischen weiß er, woher das kommt: Tarabuko wuchs im Theater auf, seine Mutter ist Schauspielerin. Wieniawski war das große Vorbild von Tarabuko. Der Junge aus Weißrussland träumte davon, am internationalen Wieniawski-Wettbewerb im polnischen Poznan teilzunehmen. 1991 erfüllte sich sein Traum. Und nun freut sich die Wieniawski-Gesellschaft: „Sie war angenehm überrascht“, sagt Tarabuko, als die Gesellschaft hörte, dass ein Deutscher ein Stück über den polnischen Musiker inszeniert. Tarabuko und Harder haben dafür in Polen recherchiert.

Polnische Version gibt es auch

Harder stellt die Frage: „Verliere ich ein Leben oder gewinne ich ein Leben, wenn nichts anderes Platz hat außer der Musik?“ Bei der Inszenierung bedient er sich verschiedener stilistischer Elemente. So lässt er Lichtprojektionen einfließen. Und auch Puppenköpfe sind im Spiel. Mit ihnen wird der kleine Wasil verkörpert, der davon träumt, ein berühmter Musiker zu werden und sein Idol Wieniawski befragt.

„Wieniawski hat wunderschöne Musik geschrieben“, sagt Harder. In Deutschland sei der polnische Komponist wenig bekannt. „In Polen habe ich nicht einen getroffen, der Wieniawski nicht kennt“, so der Regisseur. Die Uraufführung in Görlitz wird in Deutsch sein. Die spätere Erstaufführung in Polen ist zugleich die Diplomarbeit der polnischen Puppenspielerin Ewa Wróblewska, die an der Warschauer Akademia Teatralna in Bialystok studiert. Sie spielt auch in dem Stück mit.

Tarabuko würde noch eine russischen Version gefallen und eine Aufführung in Minsk. Harder hätte nichts gegen eine weitere Station: „St. Petersburg, wo ich auf der Theaterschule war“. Wenn es nach Tarabuko ginge, könnten künftige Aufführungen an alle Orte anknüpfen, an denen Wieniawski lebte und arbeitete. Auch an Brüssel, wo er Professor gewesen sei, und, wie Tarabuko weiß: „sehr beliebt“.

 

Sächsische Zeitung, 3. November 2005